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Muss nur noch kurz die Welt retten

Vier Cases, die zeigen, wie Unternehmen mit dem Thema Brand Purpose umgehen sollten.


Foto: Markus Spiske


Selten waren sich Markenstrategen so einig: Marken brauchen einen Purpose. Nach Überzeugung der Markenberatung Interbrand sind viele der führenden globalen Marken "driven by a clear sense of purpose which is focused on creating meaningful, positive impact in the world." Auch Accenture identifiziert in einer globalen Konsumentenstudie den Purpose als zentrales Erfolgsmodell. Darin heißt es: "For companies, it is the foundation of every experience. It is the underlying essence that makes a brand relevant and necessary."

Auch wenn ein Purpose für die Kultur von Unternehmen und das Management von Marken ein Gewinn ist, ist ein kritischer Blick auf das Konzept nötig. Denn die breit geteilte Begeisterung und Euphorie, die das Purpose-Konzept bisweilen in Unternehmen und Agenturen auslöst, bewirkt eine nicht übersehbare moralische Überhöhung der Marke. Die Folge ist ein Überbietungswettbewerb um Werte und Weltbilder, der immer häufiger auch in der Werbung ausgetragen wird und an dessen Aufrichtigkeit gezweifelt werden darf.


Die Gefahr für eine Marke liegt auf der Hand: Kunden, die an die hohen Werte glauben und enttäuscht werden, fallen tief. Es reicht deshalb nicht, in der Werbung auf moralinsaure Botschaften zu setzen. Die wahre Kraft eines Brand Purpose liegt in dem unternehmerischen Willen und der Fähigkeit, eine erkannte kulturelle und soziale Verantwortung für die Entwicklung innovativer, nachhaltiger Kerngeschäfte zu nutzen. Ein Brand Purpose ist damit nicht in erster Linie ein kommunikatives Thema, sondern eine unternehmerische Selbstverpflichtung. Diese bemisst sich an der Integrität eines Unternehmens, also an der Übereinstimmung von kommunikativem Anspruch und tatsächlichem Handeln.


»Ein Brand Purpose ist damit nicht in erster Linie ein kommunikatives Thema, sondern eine unternehmerische Selbstverpflichtung.«


Auch wenn viele in der Marketing- und Kommunikationsbranche von einem Brand Purpose reden, bleibt das Konzept meist abstrakt. Fragt man nach Beispielen, werden mit Apple, Nike und Google die immer gleichen Namen genannt. Als Benchmark sind diese Mega-Brands für die allermeisten Unternehmen jedoch ungeeignet. Sie agieren schlichtweg in anderen Sphären und sind als Beispiele zudem arg strapaziert. Die vier nachfolgenden Beispiele von Marken mit ganz unterschiedlicher Größe und aus ganz unterschiedlichen Branchen sollen deshalb zeigen, worauf es bei einem Brand Purpose im Kern ankommt. Dabei ist in allen Fällen ein kultureller und sozialer Konflikt die Basis, den die Marken für die Kunden lösen möchten.


1. Lululemon

Das kanadische It-Label für hochpreisige Yoga- und Sportbekleidung konnte in den letzten drei Jahren seinen Börsenwert mehr als verdreifachen. Die Marke verbindet Funktionalität, Komfort und Ästhetik mit der Einzigartigkeit des Yogas – einem Spirit, der sich schwer in Worte fassen lässt. Lululemon formuliert es in seinem Purpose so:Living a life in practice leads to a more purposeful life – on and off the mat.Lululemon drückt damit nicht nur die Haltung vieler Yogis aus. Der Purpose ist zugleich eine Führungsphilosophie. Vorbildlich ist zudem die Formulierung, die durch die Nähe zum Produkt und dessen Anwendung besticht. Der Konflikt, den Lululemon für seine Kunden dabei zu lösen versucht, ist der Weg des Kunden zu sich selbst.


2. The Ordinary

Ebenfalls aus Kanada stammt das Beauty-LabelThe Ordinary, das vor allem auf Instagram & Co.gehypt wird. Das junge Kosmetiklabel bietet äußerst preiswerte Produkte, die in puristischen Apothekerfläschchen verkauft werden. Der Purpose der Marke basiert auf dem Konflikt, dass Kosmetikprodukte in der Regel nicht halten, was sie versprechen. Sie sind oft überteuert und wirkungslos. Die Antwort von The Ordinary:To celebrate integrity in its most humble and true form. Für die Marke ist der Purpose weit mehr als ein Werbeversprechen. Er bildet die Basis für das Geschäftsmodell, das nach Angaben des Unternehmens vollständig auf Tierversuche, Mineralöle und Parabene verzichtet.


3. Mastercard

Der globale Markt für Zahlungsmittel und Finanzdienstleistungen befindet sich in einem radikalen Wandel. Neue Zahlungssysteme drängen auf den Markt. Zugleich ist die emotionale Bindung vieler Kunden an ihr Zahlungsmittel gering. In diesem schwierigen Wettbewerbsumfeld punktet Mastercard seit vielen Jahren mit dem Purposea world beyond cash, der auch die Basis für die weltweite priceless-Kampagne bildet. Der Konflikt ist offenkundig: Das wirklich Wichtige und Wertvolle in dieser Welt – wie Gesundheit, Sicherheit und Gemeinschaft – sind unbezahlbar. Mastercard versucht diesem hohen Anspruch u.a. in seinem Center for Inclusive Growth gerecht zu werden. Dessen Ziel ist es, das Wirtschaftswachstum in Entwicklungsländern nachhaltig zu stärken und den Menschen Zugang zu Finanzdienstleistungen zu ermöglichen.


4. Peggy Porschen

Viele kleine Unternehmen haben ihren Purpose nicht explizit formuliert. Dennoch haben sie diesen oft ganz selbstverständlich in ihrer unternehmerischen DNA verinnerlicht. Die Deutsche Peggy Porschen verzaubert mit ihren kunstvoll verzierten Torten Superstars wie Stella McCartney, Kate Moss und Madonna. Die liebevoll dekorierten Stores in London wirken wie aus einer anderen Welt. In einem Interview mit der Zeitung Die Welt bringt Peggy Porschen ihren Purpose auf den Punkt:„Ich will Menschen einen Moment wie im Märchen geben." Die gesamte Customer Experience ist wie von Puderzucker dekoriert – selbst die Kassenbons sind pink. Auch diesem Purpose liegt ein Konflikt zugrunde: Es gibt in unserem Alltag zu wenig Raum für Träume.


Die Beispiele zeigen: Eine Marke muss mit ihrem Purpose nicht die Welt retten. Auch wenn viele Marken eine soziale oder ökologische Überzeugung ins Zentrum ihres Purpose stellen, kann ein Purpose ebenso in einem kurzen Moment des Genusses oder des zur Ruhe kommen liegen.


Entscheidend für das Gelingen eines Purpose sind letztlich vier Dinge


Erstens, ein Purpose muss einen relevanten kulturellen oder sozialen Konflikt lösen.


Zweitens, ein Purpose ist grundsätzlich wertebasiert. Er beschreibt etwas für den Kunden Wünschenswertes, das nicht im Produktnutzen liegt, sondern in einem Eigenwert der Marke.


Drittens, ein Purpose muss inspirierend formuliert sein und der Marke eine Programmatik geben.


Viertens sind für den Erfolg eines Purpose dessen Authentizität und Integrität entscheidend. Ein starker Purpose lässt sich damit nicht einfach nachahmen, sondern muss aus dem Inneren der Marke entwickelt werden. Und genau darin liegt die Kraft und Nachhaltigkeit des Konzeptes.


Erschienen in Horizont 28.11.2019



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